CDU Kreisverband Meppen

ARBEITSRECHT - Auslaufmodell Tarifvertrag

Auslaufmodell Tarifvertrag

Die Macht der Gewerkschaften schwindet - vor allem deshalb, weil die Mitgliederzahlen sinken. Wie schlecht es Arbeitnehmern ohne starke Interessenvertretung geht, sieht man an der Zeitarbeiterbranche. Arbeitsrechtler Peter Schüren erklärt, warum es gerade dort Probleme gibt.
Die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften sinken. Nimmt gleichzeitig auch deren Macht bei Tarifverhandlungen ab?

Professor Peter Schüren: Ja, wenn man unter gewerkschaftlicher Macht die Fähigkeit zur Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen versteht, dann sinkt diese Macht mit den Mitgliederzahlen. Das sieht man schnell an den Branchen, in denen der Organisationsgrad besonders niedrig ist. Regelmäßig sind die Arbeitsbedingungen dort besonders schlecht.

Welche Branchen sind das?

Schüren: Bei den Leiharbeitnehmern zum Beispiel - dort findet man dann auch entsprechend schlechte Tarifverträge. Insgesamt ist der Organisationsgrad im Dienstleistungsbereich geringer als in den klassischen Industrien. In der Automobilbranche etwa liegt der Organisationsgrad dagegen deutlich über dem Durchschnitt.

Was ist in Unternehmen, die überhaupt keinem Tarifvertrag unterliegen. Haben Arbeitnehmer dort überhaupt die Möglichkeit, höhere Löhne einzufordern?


Schüren: Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit nur noch in Ausnahmefällen. Der Arbeitnehmer kann nur verhandeln, wenn er eine realistische Chance hat, zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Dies zeigt die zentrale Rolle der gewerkschaftlichen Interessenvertretung. Bei Arbeitnehmern, die am Markt gesucht sind, muss auch der Arbeitgeber ohne Tarifbindung seine Löhne der allgemeinen Entwicklung anpassen – sonst findet er keine Leute.

Und welche Möglichkeiten haben Unternehmen, geltende Tarifverträge für ihre Mitarbeiter zu umgehen?


Schüren: Sie können Produktionsprozesse ausgliedern und soweit als möglich durch Unternehmen mit niedrigem Tarifniveau erledigen lassen. Sie können insbesondere bei den einfachen Tätigkeiten billige Leiharbeitnehmer statt eigener Leute einsetzen. Sie können aber auch Haustarifverträge mit Schein-Gewerkschaften abschließen, die niedrige Löhne und hochflexible Arbeitszeiten ermöglichen. Damit kann man Kosten reduzieren. Aber man geht auch Haftungsrisiken ein und kann sich strafbar machen.

Welche Haftungsrisiken gibt es?


Schüren: Wenn die Haustarifverträge nicht halten, dann müssen die Sozialversicherungsbeiträge für alle Arbeitsverhältnisse auf der Basis «normaler Lohn» nachgezahlt werden. Wenn einzelne Arbeitnehmer klagen, dann muss auch deren Lohn nachgezahlt werden. War der Haustarifvertrag «gekauft», dann kommt die Strafbarkeit wegen Beitragshinterziehung hinzu und möglicherweise wegen Lohnwucher, Untreue und Betrug. Da es um große Summen geht, drohen hier Freiheitsstrafen.