CDU Kreisverband Meppen

GRUNDEINKOMMEN

Geld für alle, ohne Bedingungen?

Von den news.de-Redakteuren Jens Kiffmeier und Björn Menzel, Berlin
Geld bekommen, ohne zu arbeiten: Seit Jahrzehnten wird das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. Zahlreiche Politiker und Ökonomen rechnen und reden. Passiert ist noch gar nichts. News.de prüft, ob die Vision je Realität werden kann.
Buhrufe sind verboten. Ebenso Applaus oder andere Beifallsbekundungen. Das ist Vorschrift im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Am Montag bissen sich deshalb die meisten Gäste auf der voll besetzten Besuchertribüne auf die Zunge. Eineinhalb Stunden hörten sie zu, wie Susanne Wiest den Abgeordneten erklärte, warum Hartz IV abgeschafft gehört. Dann war sie fertig. Als sie vor die Tür trat, brachen die Jubelstürme los. Applaus. Gesang. Umarmungen und Küsschen. Blumen wurden gereicht und Kameras auf sie gerichtet. «Puh», entfuhr es ihr. «Ich war ganz schön aufgeregt.»

Es kommt ja im Leben einer Tagesmutter aus Greifswald auch nicht oft vor, dass man im Deutschen Bundestag Rederecht bekommt. Doch Susanne Wiest hat es sich erstritten. Vor zwei Jahren reichte sie eine Online-Petition ein. Darin forderte sie die Einführung eines so genannten «bedingungslosen Grundeinkommens». Die Idee: Statt Arbeitslosigkeit zu verwalten, solle der Staat jedem Erwachsenen 1500 Euro und jedem Kind 1000 Euro monatlich überweisen - unabhängig, ob reich oder arm, erwerbstätig oder arbeitslos. Im Gegenzug sollen alle anderen Sozialtransfers gestrichen werden.

Die Befürworter finden diese Idee allemal gerechter als das jetzige Sozialsystem, das in ihren Augen versagt hat. Schließlich teile es die Menschen in unterschiedliche Kategorien ein. «Ein Grundeinkommen aber bietet jedem erst einmal die gleichen Startchancen ohne existenzielle Sorgen», argumentiert Susanne Wiest. «Was er dann darüber hinaus macht, ist seine Sache.»

Althaus: Teilprojekte sind umsetzbar

Eine Einzelmeinung ist das nicht. Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens geistert seit vielen Jahren durch die deutsche Politik. Allein die Petition von Susanne Wiest fand 53.000 Unterzeichner, was ihr den Auftritt im Bundestag und die Anerkennung von Katja Mast (SPD) einbrachte: «Sie haben da ja mächtig was losgetreten», sagte die Abgeordnete - wohl wissend, dass zusätzlich noch 26 ähnliche Petitionen im Ausschuss anhängig sind. Und selbst in allen fünf Parteien stößt das Thema auf Interesse. Laut Linkspolitikerin Katja Kipping gibt es demnach bundesweit acht Modelle, die ernsthaft diskutiert werden.

Aktuell besonders in der CDU. Thüringens Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus hat vor zwei Wochen überarbeitete Ergebnisse zum Thema veröffentlicht. Bereits vor zehn Jahren übernahm er den Vorsitz einer CDU-Kommission, die ein Konzept zum solidarischen Bürgergeld entwickeln sollte. Ganz so euphorisch wie die Greifswalderin Susanne Wiest wirkt er allerdings nicht, während er sein Konzept in Berlin vorstellt. Küsschen gibt es hinterher auch keine - aber viele kritische Fragen. Das Althaus-Konzept sieht vor, monatlich 600 Euro als Existenzminimum an alle auszuzahlen, abgezogen werden 200 Euro für die Krankenversicherung. Außerdem stellt sich die Kommission eine einheitliche Steuer in Höhe von 40 Prozent auf alle Einkommen vor.

Das Problem: Allein die Idee dieser sogenannten Flat-Tax wurde schon mehrmals diskutiert, konnte sich jedoch noch nie durchsetzen. Erinnert sei an den Vorschlag von Friedrich Merz (CDU), der die Steuererklärung auf dem Bierdeckel machen wollte, inklusive einheitlicher 25 Prozent Steuern. «Es sind sicher Teilprojekte umsetzbar», sagt Althaus im Gespräch mit news.de. Eine mögliche Zielgruppe wären die Hartz-IV-Empfänger, denen über eine negative Einkommenssteuer bessere Anreize geschaffen werden könnten. «Ich glaube auch im Blick auf die Rente und eine mögliche Zusatzrente kann ein solcher Weg gegangen werden. Trotzdem verhehle ich nicht, dass wir irgendwann den Mut haben sollten, ein Gesamtkonzept umzusetzen.»

Werner: Hätten Sie an den Mauerfall geglaubt?


Doch Mut allein wird wohl nicht reichen. Die Frage nach der Umsetzbarkeit der Bürgergeldidee kann selbst Althaus nicht beantworten. «Mein Interesse ist, dass wir eine gesellschaftliche Debatte führen», sagt Althaus. Das Bürgergeld sei kein Projekt, welches heute oder in den nächsten Jahren auf einem Parteitag beschlossen und dann umgesetzt wird. Der Ex-Ministerpräsident fordert, dass in den nächsten Jahren öffentlich darüber diskutiert wird. «Je mehr die Debatte in die Breite kommt, je mehr Unterstützer es gibt und je größer die Erkenntnisse sind, dass es so wie jetzt nicht weiter gehen kann, je größer wird dann auch der politische Druck», sagt er.

Götz Werner, der sich ebenfalls seit Jahren für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt, beantwortet die Frage nach der Umsetzbarkeit im news.de-Interview mit einer Gegenfrage: Hätten Sie geglaubt, dass am 9. November 1989 die Mauer fällt?