CDU Kreisverband Meppen

DISKRIMINIERUNG

Deutschland legt sich mit der EU an


Von news.de-Mitarbeiterin Denise Peikert
Ende vergangenen Jahres bekam die Bundesregierung Post aus Brüssel. Inhalt: Deutschland halte sich nicht an die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU. Ändert sich das nicht, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Man wird sich wohl dort treffen.
Was Diskriminierung ist, bestimmen wir schon noch selber. Schließlich sind wir 80 Millionen. Da wird man ja wohl noch ein wenig diskriminieren dürfen.

Die beiden Frauen, die sich im Februar in Berlin trafen, sind auf den ersten Blick Amtskolleginnen. Doch bei Kristina Schröder und Bibiana Aido Almagro endet das Gemeinsame schon beim zweiten Blick auf die Amtsbezeichnung: auf der einen Seite die spanische Ministerin für Gleichstellung, auf der anderen die bundesdeutsche Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Geballte Kraft für ein Thema hier, weit gefächerter Aufgabenbereich dort.

Das allein ist jedoch nicht Schuld an dem eisigen Lächeln, das Aido Almagros auf dem Gruppenfoto zeigt. Vielmehr liegt es wohl an der Enttäuschung, die ihr Schröder auf den Heimweig mitgegeben hatte: Deutschland lehnt den Entwurf über eine fünfte EU-Antidiskriminierungsrichtlinie ab. Ein Prestigeobjekt der spanischen Gleichstellungsministerin, deren Land gerade die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union (EU) inne hat.

Im Vier-Augen-Gespräch hatte Schröder mit Aido Almagro sicher über den gemeinsamen Kampf gegen die Benachteiligung von Frauen gesprochen. Die Absage an gemeinsame Mittel in diesem Kampf aber gabs direkt dazu: «Die geplante EU-Richtlinie überschreitet die Zuständigkeiten der EU und greift weit in nationale Rechte ein», heißt es in einer Pressemitteilung des Familienministeriums. Dass Schröder das oder etwas sehr ähnliches auch zu Aido Almagro gesagt hat, ist nicht schwer zu erraten: Der angebliche Verstoß gegen das Subsidaritätsprinzip ist das Universalargument der Bundesregierung, wenn es um die europäische Antidiskriminierungspolitik geht.

Brüssel und Berlin «überprüfen» sich gegenseitig

Genau deswegen wird Deutschland über kurz oder lang vor dem Europäischen Gerichtshof landen. Denn wegen mangelhafter Umsetzung dreier schon bestehender Antidiskriminierungsrichtlinien hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und im Oktober 2009 eine Zweimonatsfrist gesetzt: Sollte Deutschland binnen dieser Zeit nicht die «erforderlichen Maßnahmen» ergreifen, hieß es, kommt der Fall vor den Gerichtshof. Anders gesagt: Ist Deutschland nicht gewillt, seine Gesetze anzupassen, wird es gerichtlich dazu gezwungen.

Inzwischen sind die zwei Monate längst um. Passiert ist nichts. Auch die Schonfrist, die die EU wegen der neu gewählten Bundesregierung und der neuen EU-Kommission wohl darüber hinaus gewährt, wird bald verstrichen sein. Was also passiert gerade?

Aus dem Justizministerium in Berlin heißt es, man prüfe die Rügen der Europäischen Kommission und könne nichts sagen, da die Verhandlungen zwischen der EU und einem Mitgliedsstaat vertraulich seien. Nach Aussagen von Mina Andreeva, Pressesprecherin der zuständigen EU-Justizkommissarin Viviane Reding, ist ein Zwischenergebnis der Berliner Überprüfung schon in Brüssel eingegangen: Im Dezember kamen Briefe aus Deutschland, die derzeit widerrum von Seiten der Kommission geprüft würden. «Es ist unmöglich, jetzt etwas über die nächsten Schritte zu sagen», sagt Pressesprecherin Andreeva.

Bundesregierung zeigt kein Interesse an Deeskalation

Reine Taktik, meint Elisbeth Schroedter, die für die Grünen im Europaparlament sitzt und schon 2007 ein Buch über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) der Bundesrepublik und die europäische Antidiskriminierungspolitik geschrieben hat. «Der Termin, wann der Fall vor den Gerichtshof kommt, wird politisch entschieden», sagt sie und meint: Die EU überlegt noch, ob sie gerade jetzt, wo die politische Diskussion um die neue Antidiskriminierungsrichtlinie gerade läuft, wegen der alten gegen Deutschland klagen will.

Klarer als die politische Sachlage ist dagegen die inhaltliche: Deutschland und die EU sind sich nicht einig. Wie aus dem Briefwechsel zwischen Berlin und Brüssel hervorgeht, moniert die Bundesregierung auch im laufenden Verfahren einen Verstoß gegen das Subsidaritätsprinzip: Die EU könne von Deutschland gar nicht die lückenlose Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien verlangen, da diese zu weit in nationales Recht eingriffen.

«Die Tatsache, dass etwa 90 Prozent der Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ohne Anrufung des Gerichtshofs der EU beendet werden, zeigt, dass die Vorgehensweise der Bundesregierung erfolgreich ist», beteuert die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag ihr Bestreben, den Konflikt mit der EU einvernehmlich zu lösen. In Wirklichkeit aber dürfte es ihr sogar recht sein, sollte der Fall vor den Gerichtshof kommen: Dann kann ganz offiziell geklärt werden, ob die deutsche Auffassung der europäischen Antidiskriminierungspolitik rechtmäßig ist. Grünen-Abgeordnete Schroedter glaubt daran nicht: «In Diskriminierungsfragen entscheiden immer mehr Richter in Deutschland nach europäischen und nicht nach nationalen Grundsätzen.»